Biographische Notizen

(erschienen in: Esloher Museumsnachrichten 2012, „Wo sie blieben, was sie wurden“, hrsg. v. Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe)

Genau pünktlich zu Peter und Paul, dem Esloher Schützenfest, erblickte ich 1943 im Esloher Krankenhaus, als Jüngster von uns drei Geschwistern, das Licht der nicht heilen Kriegswelt. Vater war Soldat an der Ostfront und kehrte Ende 1945, an Ruhr und Hepatitis schwer erkrankt, aus russischer Gefangenschaft heim. Es gab keinen Kindergarten in der Nachkriegszeit, und so spielten wir Kinder der Kupferstraße miteinander. Witwe Käthe Stötzel mit ihren fünf Kindern wohnte gegenüber in der damaligen evangelischen Schule. Sie war eine großherzige und tolerante Mutter, die anfangs der fünfziger Jahre ihr Eigenheim in der Kupferstraße baute. Sohn Wieland war mein Freund, und wir haben miteinander viele Streiche ausgeheckt. Oberhalb von Schulten Hof standen zwei Baracken, in denen heimatvertriebene Familien wohnten. In der kleineren Baracke musste die Familie Schmidt mit ihren zwölf Kindern unter heute unvorstellbaren ärmlichen Verhältnissen fast zehn Jahre ihr Dasein fristen. Die Brüder Manfred, Werner, Günter und Karl-Heinz Schmidt waren meine Spielkameraden. Oft spielten wir auf Gabriels Hof, denn Karl-Josef Gabriel war sehr kinderfreundlich und sozial eingestellt. Er arbeitete mit seinen Bediensteten, aß stets mit ihnen gemeinsam und entlohnte sie gerecht, was damals nicht selbstverständlich war.

Die Fußballbegeisterung der Brüder Schmidt und unsere sonntäglichen Fußballspiele auf dem Hexenplatz des Böttenbergs habe ich in schöner Erinnerung. Ich war kein großes Fußballtalent und kam über die B-Jugend beim BC Eslohe nicht hinaus. Unser Trainer und väterlicher Betreuer Josef Krick hat uns nicht nur Fußballspielen gelehrt, sondern viel menschlich Wertvolles mit auf den Lebensweg gegeben. Er war uns Vorbild, ein uneigennütziger Idealist, der in seiner bescheidenen Art Großes für den Verein und die Fußballjugend geleistet hat. Ebenfalls habe ich unsere Lehrer Herr Fischer und Herr Steup in dankbarer Erinnerung.

Norbert Breusch 1961 als frischgebackener Facharbeiter der Fa. Koenig neben einer fertig montierten großen Richtpresse.

Norbert Breusch 1961 als frischgebackener Facharbeiter der Fa. Koenig neben einer fertig montierten großen Richtpresse.

Nach der Volksschule gings auf die Handelsschule nach Schmallenberg. Ich sollte in die Büchsenmacherei und den Jagdwaffenhandel meines Vaters einsteigen, was aber an einer geeigneten Ausbildungsstelle scheiterte. So lernte ich Maschinenschlosser bei der Fa. Koenig. Gegen Ende meiner Lehrzeit begann Eberhard Koenig mit dem Auf­bau des heutigen Maschinen- und Heimatmuseums. Bei der Restaurierung und Aufstellung der ersten Maschinen wurde ich eingesetzt. Als Gehilfe von Josef Gerhard aus Bremke, er war Spezialist für Dampfma­schinen, half ich die neuen Dampfleitrohre in den Kessel der heute noch fahrenden Museumslok dicht einzubör­deln.

Der Maschinenbau der Fa. Koenig boomte in dieser Zeit. Mit Bandrichtautomaten, Richt­pres­sen und Rohrziehbänken gehörte man zu den Marktführern der Branche. Der geniale Konstrukteur Josef Kersting entwickelte damals eine dreifach- Rohrziehmaschine mit stufenlosem hydrostatischem Antrieb als völlige Neuheit in der Rohrziehtechnik. Eine weiter­entwickelte Form dieser An­triebstechnik wird heute in Großschleppergetrieben der Hersteller Fendt, John Deere eingesetzt (für die ich die patentierte Hydraulikfiltration entwickelt habe, daher kann ich die damalige Konstruktionsleistung beurteilen). Franz-Josef Keite, der heute als Rentner für das Museum unermüdlich tätig ist, sammelte damals im Team um seinen Schwager Josef seine ersten Konstruktionserfahrungen.

Es ehrt Eberhard Koenig, dass er das Museum und die Stiftung gegründet hat und Eslohe muss ihm dafür dankbar sein. Es gibt aber noch eine andere Betrachtungsweise, die ich als Zeitzeuge mit fachlicher Kompetenz, hier sachlich in Erinnerung bringen möchte. Der Verkaufsleiter Clemens Rüth hatte Anfang 1961 den Auftrag für drei dieser neuartigen Rohrziehgroßmaschinen von der Firma Eichelberg in Menden erhalten. Eberhard Koenig verweigerte aus mir heute noch unerklärlichen Gründen die Annahme dieses Großauftrags. Investitionsanträge zur Modernisierung des total veralteten Maschinenparks lehnte er ebenfalls kategorisch ab. Es hatte zur Folge, dass die gesamte Führungselite (Know-how-Träger) zur gleichen Zeit demotiviert und enttäuscht die Fa. verließen. Es waren: Clemens Rüth, Josef Kersting, Erich Backfisch (ehem. Torwart des BC), Alfred Hanses, Josef Spork usw. Ebenso wechselten zahlreiche Facharbeiter aus der Gelenkketten- und Kettenradfertigung zur damals aufstrebenden Fa. Wulf. Josef Kersting wurde Konstruktionsleiter der Fa. Eichelberg in Menden, wo die drei Maschinen gebaut wurden und er seine Konstruktionsideen verwirklichen konnte. Diese Firma wuchs mit ihm von damals ca. 60 Mitarbeitern zu einem blühenden Unternehmen von heute über 600 Mitarbeitern. Eine ähnliche Entwicklung hätte eventuell auch die Fa. Koenig machen können, wenn, wenn…

Im Herbst 1963 wurde ich zum Wehrdienst nach Höxter eingezogen, wo ich auch meine Jägerprüfung ablegte. Josef Keggenhoff sen. war Jagdfreund meines Vaters. Er hatte ebenfalls in Höxter nach seiner Konditorausbildung eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Als erster Jagdpächter nahm er mich mit zur Ansitzjagd. Es ging zu Fuß zur Sange und ich erlegte dort mein erstes Reh. In jungen Jahren hatte Josef Keggenhoff mit dem BC in der höchsten Spielklasse der Liga gespielt, wovon er mir oft erzählte. Er war ein liebenswerter Mensch und ein Original, besonders wenn er uns zur späten Stunde in Feierlaune sein Lied vom munteren Rehlein sang. Ab und an machte er mit seiner Frau Änne einen kleinen Urlaub und schrieb meinem Vater eine Ansichtskarte: „Aus dem Urlaub frisch und froh, grüßt Dich Dein Freund Jupp, der Kegelo“. Ein weiterer jagdlicher Ziehvater war mir Dr. Engelhard Freiherr von Weichs, der heute noch mein Vorbild für Waidgerechtigkeit und Hege ist. Auf Gut Wenne erlegte ich meinen ersten Keiler und den ersten Rehbock. Mein Vater war viele Jahre, ja bis zu Vaters Tod 1976, sein Jagdaufseher und Jagdfreund.

Nach Ende der Wehrdienstzeit fuhr ich im Oktober 1965 zum Jagdurlaub in Vaters Heimat nach Kraichtal-Menzingen in den Kraichgau, wo ich als Kind oft schöne Ferien erlebt hatte. Vaters Bruder war Landwirt und Jagdpächter der über 1000 ha großen Gemeindejagd. Ab 1960 kam mein Vater in jedem Herbst mit etwa einem Dutzend Esloher Jägern zur alljährlichen großen Treibjagd. Für die Esloher Waidgesellen war es ein jagdliches Eldorado. Über 300 Hasen und 200 Fasanenhähne, dazu noch Rebhühner waren die Jagdstrecke. Das Gasthaus zum „Goldenen Lamm“ war über ein Wochenende fest in Esloher Hand. Die badische Küche, der badische Wein und die 50%-igen Obstbrände wurden in vollen Zügen genossen. Mit Josef Keggenhoff am Akkordeon und von meiner Gitarre unterstützt sangen wir bis in die Morgenstunden. Ich fand eine Anstellung als Versuchsmechaniker bei der Fa. Argo in Menzingen und blieb im schönen Kraichgau. Die nächste Station war die zweijährige Fachschule für Maschinentechnik in Karlsruhe. Täglich fuhr ich mit meinem 18 PS Citroen 2CV zur 40 km entfernten Fachschule. Es war mein Bestreben, diese Weiterbildung selbst zu finanzieren. Als Gitarrist und Sänger einer Tanzband, Arbeiten in den Semesterferien und mit dem Ersparten habe ich mich durchgeschlagen.

Nach dem Examen fand ich eine Anstellung als Hydraulik-Konstrukteur bei der Fa. Dieffenbacher im 12 km entfernten Eppingen. Dieffenbacher gehört zu den Weltmarktführern im Hydraulikpressenbau, besonders dem Spanplattenpressenbau. Nach nur eineinhalb Jahren in der Abt. Ölhydraulik, wurde mir auf Grund meiner Leistungen die Abteilungs- und Projektleitung der Abt. Wasserhydraulik übertragen. Alle durch Beheizung brandgefährdeten Pressen wurden mit einer Wasseremulsion statt Öl betrieben, was eine konstruktiv völlig andere Hydraulik-Steuerung erfordert. Alle Steuerungselemente dieser Wasser-Hochdruckhydraulik waren Eigenfertigung. Ich konzipierte damals die Hydraulik für die grösste Hartfaserplattenpresse der Welt, die in die UdSSR geliefert wurde. Eine riesige Presse mit 22 Pressetagen und über 20 mHöhe. Die gesamte Spanplattenindustrie wurde weltweit mit diesen Großpressen ( bis zu 30.000 Tonnen Presskraft) beliefert.

Die Leitung dieser Großprojekte und parallel die Entwicklung einer völlig neuartigen Wasserhydaulik-Mehrwege-Ventilsteuerung bei einer 50-60 Stundenwoche brachte mich an meine Leistungsgrenzen. Schließlich war ich ja zwischenzeitlich mit meiner Frau Margot verheiratet und stolzer Vater unseres Sohnes Georg. Wir hatten uns Sinsheim, (die heutige Fußball- und Museumsstadt) als Wohnort gewählt, wo wir noch heute in unserem Eigenheim wohnen. Ich folgte dem Rat meines Kardiologen an Gesundheit und Familie zu denken. So stieg ich auf der Karriereleiter ein paar Stufen hinunter und wechselte als Entwicklungskonstrukteur für Hydraulikfiltration zur Firma Argo, wo ich vor der Fachschule als Versuchsmechaniker tätig gewesen war.

Der Kurpfälzer Jagdhornbläserkreis am Hubertustag 1989 im Fernsehstudio Baden-Baden (links außen Norbert Breusch, rechts außen Reinhold Stief bei der Moderation).

Der Kurpfälzer Jagdhornbläserkreis am Hubertustag 1989 im Fernsehstudio Baden-Baden (links außen Norbert Breusch, rechts außen Reinhold Stief bei der Moderation).

1972 trat ich in die Jagdhornbläsergruppe Kraichgau-Steinsberg ein und erlernte das Blasen auf dem kleinen Horn. 1975 erfolgte der Wechsel zum großen Horn, dem Parforcehorn in Tonart Es. Als ich zum ersten Mal eine Hubertusmesse der „Kurpfälzer“ aus Heidelberg gehört hatte, erfasste mich der Virus Parforce-Musik und ließ mich bis heute nicht mehr los.1979 erfolgte meine Berufung in diesen damals bekanntesten deutschen Bläserkreis durch seinen Leiter Reinhold Stief, einen begnadeten Musikpädagogen, Komponisten und Chorleiter. Er war der große Mann der deutschen Jagdmusik, der die Es-Parforcehornmusik in Deutschland in den 60er Jahren wieder eingeführt hat, denn diese war mit dem Verbot der Parforce-Hetzjagd 1848 verstummt.

Der Wechsel zu den „Kurpfälzern“ war zugleich ein Spagat zwischen Beruf und dem Hobby, Jagdmusik. Immerhin war ich ja zuständig für die konstruktive Entwicklung eines damals 300 Mitarbeiter zählenden Unternehmens in der Hydraulikfiltration. Tägliches Üben und mindestens eine Wochenprobe in der 50 Km entfernten Römerstadt Ladenburg erforderten volles Engagement. Die Weiterbildung meiner Bass-Bariton-Stimme für unsere Doppelquartett-Auftritte mit Hornbegleitung, gehörte ebenfalls dazu. Konzerte und Hubertusmessen im gesamten deutschsprachigen Raum, Rundfunk- und Fernsehauftritte sowie Tonträgeraufnahmen füllten meinen Terminkalender, zumal ich nach drei Jahren zum 1. Hornisten und Solohornisten aufgestiegen war. Auch im Sauerland hatten wir einige Auftritte. In Lüdenscheid, Werdohl, Marienheide, Balve, Schalksmühle, im Pannoramapark. In Eslohe waren wir mit Hubertusmessen und Konzerten 1981 und 1987 zu Gast.

Die Jagdhornbläser Kraichgau-Steinsberg bei einer     Hubertusmesse in der kath. Kirche Eppingen-Elsenz im Jahr 2010 (vorne Norbert     Breusch), Foto: Tim Kegel, Rhein-Neckar-Zeitung.

Die Jagdhornbläser Kraichgau-Steinsberg bei einer Hubertusmesse in der kath. Kirche Eppingen-Elsenz im Jahr 2010 (vorne Norbert Breusch), Foto: Tim Kegel, Rhein-Neckar-Zeitung.

Mit Hilfe meiner beruflichen Erfahrungen in der Strömungslehre entwickelte ich Spezialmundstücke für unsere Hörner, die heute im gesamten deutschsprachigen Raum begehrt sind (auch in Eslohe). Reinhold Stief erlag 1992 einem Krebsleiden, für die deutsche Jagdmusik, dessen Motor er war, ein großer Verlust. Ihm zu Ehren entwickelte ich das „Kurpfälzer-Parforcehorn“. Durch ein patentrechtlich geschütz­tes Perinetventil und eine optimierte Mensurierung wurde eine Verbesse­rung von Ansprech­ver­halten und Klangcha­rakter erreicht. Von den Instrumentenherstellern Melton und Dotzauer in ca. 500 Exemplaren produziert, erfreut sich das Horn großer Beliebt­heit. 1995 übernahm ich die musikalische Leitung der Jagdhornbläser „Kraichgau-Steinsberg“, mit denen ich mehrere Landes­meisterschaften errang sowie 2005 in Regensburg bei 40 teil­nehmenden Gruppen die Bundesvizemeister­schaft. Alle Bläser meiner Gruppe sind aktive Jäger bzw. Forst­leute. Auch ich bin seit fast 20 Jahren Pächter eines 320 ha großen Jagdreviers in meinem Wohnort Sinsheim. Jagdtourismus ist für mich ein Tabu, denn ich folge dem Grundsatz: „Wer nicht sät (hegt), soll auch nicht ernten“.

Seit einigen Jahren genieße ich meinen beruflichen Ruhestand und die früher oft zu kurz gekommene Familie mit unseren Kindern Georg, Antje und Christian sowie zwei lebhaften Enkelsöhnen. Als Ersatz fürs Konstruieren und Erfinden habe ich mich in Kompositionslehre weitergebildet und im Juli 2011 mein erstes Notenheft mit 15 Werken für Parforcehorn in Es veröffentlicht. Hubertusmessen und gemeinsame Konzerte mit dem befreundeten Konzertchor Sinsheim-Reihen erfreuen unsere Zuhörer. Gemeinsam haben wir bei einem Live-Konzert unsere CD „Jagdgesang und Hörnerklang“ aufgenommen, eine jagdmusikalische Zeitreise durch drei Jahrhunderte.

Nun möchte ich nur noch Dinge wählen, die im Leben wirklich zählen. Ja stell ich einst erschrocken fest, das Leben, ja es ist gewest, dann geh ich still aus meiner Zeit, zurück in Gottes Ewigkeit.

Norbert Breusch

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2 Gedanken zu “Biographische Notizen

  1. Ich hatte das ganz große Glück, zunächst auf mehreren Lehrgängen im Jägerlehrhof Springe Reinhold Stief zu begegnen! Ich schickte mich an, Chorleiter eines 15-köpfigen Jagdhornbläser-Corps zu werden. Dort brachte uns Reinhold Stief nicht nur das richtige Blasen mit dem „kleinen Horn“ bei, sondern unterwies uns auch im Gebrauch des Parfocehorns in der Stimmung ES. Es folgten auf seine Einladungen nach Ladenburg zu insgesamt 5 internationalen Chorleiter-Lehrgängen (in der Regel mit 150 Bläserfreunden aus ganz Deutschland, Österreich und der damaligen DDR) weitere Unterweisungen zum Parforcehorn mit Teilnahme an Wettbewerben als Gäste mit meiner Bläsergruppe in Ladenburg. Die Hubertusmesse im Dom zu Ladenburg unter Reinhold Stief mit seinen Kurpfälzer Jagdhornbläserkreis war d a s Erlebnis als Jagdhornbläser, das immer im Gedächtnis bleibt! Wir trauern auch heute noch um ihn, obwohl er in seiner Anzeige den bemerkenswerten Satz schrieb: „Trauert nicht um mich, ich habe mein Leben dreimal gelebt!“ Was für eine tröstende Haltung – auch posthum!
    Insofern freue ich mich auf der Suche nach guten Klangbeispielen Norbert Breusch entdeckt zu haben! Seine Biografie spricht Bände, ein typischer Macher und Multiplikator für unsere Leidenschaft! Ich hoffe, er bleibt uns noch lange erhalten, damit wir noch lange mit großen und kleinen Hörnern durch Gottes wunderbare Natur streifen können! Ein herzliches Dankeschön für „Jagdgesang und Hörnerklang“ und ein ebenso herzliches Waidmanns Heil!
    H-J- Rieling

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